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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 29

1913 - Leipzig : Hahn
29 nächsten Augenblick in einem Tunnel verschwindet, da er sich nicht am Felsen vorbeidrücken kann. Hier treibt ein Floß von ungeheurer Länge; es bringt Schwarzwaldtannen und Bretter nach Holland. Die Ruderer an beiden Enden bewegen die Steuer im Takte; sie sind froh, daß sie beide Brücken bei Mainz ohne Anstoß durchfahren haben. Langgestreckte Inseln liegen mitten im Strome, und Fahrzeuge aller Größen durchkreuzen ihn längs und quer. Bald grüßt von einem hohen Felsen Burg Rhein- stein herab, die sich Prinz Friedrich von Preußen aus Ruinen in alt- ritterlicher Bauart herstellen ließ; man sieht die schmalen Fallbrücken, welche den Einlaß in den Burghof gewähren. Kaum ist Nheiustein dem Blick entschwunden, so taucht bereits Burg Sooneck vor uns auf. Sanft gleitet das Schiff hin auf dem schönen, majestätischen Strome, der auch im Sommer eine stattliche Wasserfülle behält, weil die 300 Gletscher an seiner Wiege gerade zur Zeit der Sonnenglut ihn reichlich nähren. Von B a ch a r a ch schallt jetzt der Klang der Glocken herüber, die zum Hochamt rufen, und bald hallen die Orgeltöne weihevoll über die Wogen. Wie drängt sich da Reinicks Lied „Sonntag am Rhein" von selbst auf die Lippen: Des Sonntags in der Morgenstund', Und ernst in all die Herrlichkeit wie wandert's sich so schön die Burg herniederschaut am Rhein, wenn rings in weiter Rund' und spricht von alter, guter Zeit, die Morgenglocken gehn. — die auf den Fels gebaut. Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, da singt's und jubelt's drein; du Schifflein, gelt, das fährt sich gut in all die Lust hinein? Das alles beut der prächt'ge Rhein an seinem Rebenstrand und spiegelt recht im hellsten Schein das ganze Vaterland, — Vom Dorfe hallet Orgelton, Das fromme, tteue Vaterland es tönt ein frommes Lied; in seiner vollen Pracht, andächtig dort die Prozession mit Lust und Liedern allerhand aus der Kapelle zieht. — vom lieben Gott bedacht. — Jetzt blicke zur Rechten! Kaub taucht auf. Wie ruft dieser Name die geschichtliche Erinnerung wach an den alten Feldmarschall Vorwärts, der in der Neujahrsnacht 1814 den Befehl erteilte und ausführte: „In Frankreich hinein!" und der an der Übergangsstelle, in Erz gegossen, noch heute dasteht, die Faust am Schwertgriff. Dort, wo ein Zug fauchend aus dem schwarzen Felsentunnel hervorschießt, ist der L o r e l e i f e l s e n, der sich schroff und steil au den Strom herandrängt. Fehlt ihm auch ern dichtes grünes Kleid, so ist er dafür um so reicher mit Sagen umwoben. Zur Zeit der Dämmerung und beim milden Glanze des Mondlichts ließ sich früher eine holde Jungfrau mit goldenen Locken auf der Kuppe sehen, die mtt so verlockender Stimme sang, daß viele Vorüberfahrende wie ver- zaubert lauschten, Kiel und Steuer vergaßen und am Felsenriff zerschellten. Der Sohn eines Pfalzgrasen wollte zu ihr dringen, tat den Sprung aus dem Fahrzeug zu kurz und ertrank. Ein Bote des Vaters forderte sie auf, sich in den Rhein zu stürzen; doch sie entgegnete: „Der Rhein mag mich holen!" Da flogen zwei Wellen in Gestalt weißer Rosse zu

2. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 62

1913 - Leipzig : Hahn
62 Gefängnis dünkte ihm die schwerste Strafe. Dann aber zog es ihn auch zu seinem alten Mütterchen, das er so bitter gekränkt hatte, und dessen Vergebung ihm vor allen Dingen am Herzen lag. Der erste, welcher dem Friedrich Breitkopf entgegentrat, als er in das heimatliche Dorf schritt, war der greise Dorfdiener Biedermann. Tief beschämt schlug Friedrich seine Augen nieder, als er dem alten Manne gegenüberstand, und kein Wort der Be- grüßung wollte von seinen Lippen herab. Da fühlte er plötzlich seine Hand von der des Greises ergriffen, und er hörte ihn die milden Worte sagen: „Bist wedder da, Friedrich? Hast Malheur 'hat, armer Junge; hebben dick alle beduert in 'n Dorpe; na, lallt man gut sin, dat vergäll sik, bist nicht schlecht west, bloß en bettchen wild, bat kann jeden passieren, mien Sahn. Gah man na diene Mutter, dee luert «ll up." O, wie taten dem guten Jungen diese schlichten Worte wohl! „Bist nicht schlecht west!" — War er wirklich nicht schlecht, sondern nur wild gewesen? — Nein, nein, nein, er hatte sein ehrlich Hand- werk aufgegeben, das war schlecht genug gewesen; schon darum hatte er seine Strafe verdient. Und doch — es tat ihm so unend- lich wohl, daß gerade der greise Dorfdiener sein Vergehen so mild beurteilte. An dem Häuschen seines Mütterchens angelangt, stand Friedrich einen Augenblick still und blickte durch die Fensterscheiben hindurch in das Wohnstübchen hinein. O Gott, da saß die gebeugte Gestalt der alten Frau in ihrem gewohnten Lehnstuhl und hatte vor sich auf- geschlagen ihr altes Gebetbuch mit den großen Buchstaben, die dem kleinen Friedrich immer so unheimlich erschienen waren. Dem großen Friedrich schnürte der Anblick das Herz zusammen. Leise öffnete er die Haus- und Stubentür; da blickte die alte Frau auf. „Mütter- chen, Mütterchen, vergib mir, daß ich dir so wehe getan habe!" schrie Friedrich Breitkopf, stürzte zu den Füßen seiner Mutter nieder und begrub sein tränenübersttömtes Antlitz in ihrem Schoße. „Mein armes, liebes, gutes Kind!" Das waren die ersten Worte, die er von den Lippen der alten Frau vernahm; dann fühlte er ihre Hände auf seinem Scheitel liegen und hörte sie lange und leise ihre Gebete murmeln. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht von Friedrichs Rück- kehr im Dorfe verbreitet. Bekannte kamen, ihn zu begrüßen, selbst die Bauern sprachen einer nach dem andern in dem kleinen Häuschen vor, und alle zeigten ihm Teilnahme in seinem „Unglück", wie sie es nannten, und wünschten ihm Glück und Segen für die Zukunft. Und Glück und Segen blieben dem Friedrich Breitkopf nicht aus. Es war kaum Abend geworden, da sandte sein alter Meister Wernthal einen Lehrbuben und ließ ihn zu sich rufen. Der brave Meister war brustkrank geworden und forderte Friedrich auf, bei ihm wieder ein- zutreten. O, wie freute sich der junge Mann, daß gerade sein alter

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 262

1913 - Leipzig : Hahn
262 dagegen hielten die Kunde für echt und begehrten den Ausmarsch auf morgen, nur konnte keiner genau sagen, wohin man eigentlich marschieren solle. Um den Streit zu schlichten, forschte man nun — freilich etwas spät — genauer nach, woher denn eigentlich jene geheime Kunde gekommen. Der Bürgermeister sagte, er habe sie vom Zunftmeister der Gerber, der Zunftmeister, er habe sie von seinem Wachtposten am Bachtor, ver Wachtposten, er habe sie von einem fremden Bauern, der in voriger Woche frühmorgens zwischen Licht und Dunkel ans Tor gekommen sei, woher sie aber der Bauer habe, das wisse er nicht. Nun hatten die Zweifler gewonnen Spiel. „Auf solche Gewähr," riefen sie entrüstet, „ängstet man die ganze Stadt und will uns gar vors Tor sichren, daß wir dem Dachs desto sicherer in den Rachen laufen!" Da schallte aus den hintersten Reihen der Zuhörer eine dröhnende Baßsttmme: „Die Nachricht ist dennoch echt; morgen zieht der Dachs aus seiner Höhle!" „Wollt ihr etwa bürgen für den fremden Bauersmann?" fragte strafend der Bürgermeister den unberufenen Redner. „Ja, denn der Bauer war ich selber!" antwortete die Stimme, und zugleich sah man die hohe Gestalt Michaels des Schmieds aus der Menge sich emporrichten. „Und wer hat euch jene Mär aufgebunden?" „Ich erlauschte sie von des Ritters Leuten, da ich vorige Woche, wie gewöhnlich, des Abends als Bauer verkleidet den Söldnerbauer und seine Tochter besuchte." „Das ist kein zuverlässiger Bote, der auf Liebesabenteuer zieht, indes wir hier, wie auch ihm ziemte, den Schlaf uns abbrechen, um die Stadt zu bewachen!" rief der Gerberzunftmeister, der Befehlshaber am Bachtor. Ruhig erwiderte Michel Leimsieder: „Hättet ihr wirklich die Stadt bewacht, so hätte ich nicht auf Liebesabenteuer ausziehen können. Denn sehet, ich bin in den letzten vierzehn Tagen sechsmal bei Nacht über die Mauer gesttegen und durch den Graben gewatet, hart neben eurem Bach-- tor, und keiner hat mich erblickt." Diese kurze Zwiesprach begann die Sttmmung der Menge bereits zu wenden. Man drängte und schob den Schmied in den engeren Ring; vielen dämmerte es schon, daß der Leimsieder allein schweigend gehandelt habe, während die anderen bloß redeten, wie man handeln solle, und daß der einzige Polttikus in der Stadt ein Verliebter sei. Alle lauschten atemlos den weiteren Antworten Michels, die so kurz und schwer fielen, wie Hammerschläge auf den Amboß. „Warum," siagte der Bürgermeister, „habt ihr mir nicht sofort pflichtmäßig Anzeige gemacht von dem erlauschten Geheimnisse?" „Weil ich gern meine eigenen Pfade im füllen gehe, und den nächt- lichen Weg zum Söldnerbauer hättet ihr mir doch gar zu gerne verlegt. Übrigens glaubtet ihr ja alle, was ich dem Wachtposten entdeckte, unge- prüft. Also konnte ich schweigen. Heute, wo man laut zu zweifeln be- ginnt, rede ich."

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 236

1913 - Leipzig : Hahn
B. Im gesellschaftlichen Leben. Irr der g?anxxzxe. Der ist glücklich, er sei ein König oder ein Geringer, dem in seinem kaufe Wohl bereitet ist. Goethe, 103. Das Lied von der Glocke. ii. weiße Blasen seh' ich springen; wohl! die Massen find in Fluß. Laßt's mit Aschensalz dnrchdringen, das befördert schnell den Guß. Auch vom Schaume rein muß die Mischung sein, daß vom reinlichen Metalle rein und voll die Stimme schalle. Denn mit der Freude Feiecklange begrüßt sie das geliebte Kind auf seines Lebens erstem Gange, -sn es in Schlafes Arm beginnt. Ihm ruhen noch im Zeitenschoße die schwarzen und die heitern Lose; der Mutterliebe zarte Sorgen bewachen seinen goldnen Morgen. — Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Dom Mädchen reißt sich stolz der Knabe; rr stürmt ins Leben wild hinaus, durchmißt die Welt am Wanderstabe, fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. Und herrlich, in der Jugend prangen, wie ein Gebild aus bsimmelshöh'n, mit züchtigen, verschämten Wangen sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen des Jünglings perz; er irrt allein; aüs seinen Augen brechen Tränen; sr flieht der Brüder wilden Reih'n. Errötend folgt er ihren Spuren »nd ist von ihrem Gruß beglückt; das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt. G zarte Sehnsucht, süßes hoffen, der ersten Liebe goldne Zeit! Das Auge sieht den Kimme! offen, es schwelgt das k^erz in Seligkeit. G, daß sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe ! wie sich schon die Pfeifen bräune«! Dieses Stäbchen tauch' ich ein; sehn wir's überglast erscheinen, wird's zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! prüft mir das Gemisch, ob das Spröde mit dem Weichen sich vereint zürn guten Zeichen. Denn wo das Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das perz zum Kerzen findet! Der Wahn ist kurz, dir Ren' ist lang, Lieblich in der Bräute Locken spielt der jungfräuliche Kranz, wenn die Hellen Kirchenglocken laden zu des Festes Glanz. Ach! des Lebens schönste Feier endigt auch den Lebensmai; mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht, die Liebe muß bleiben; die Blume verblüht, die Frucht muß treiben. —

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 238

1913 - Leipzig : Hahn
238 wilder Stürme rauhes Bette. In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen, und des Fimmels Wolken schauen hoch hinein. Linen Blick nach dem Grabe | seiner Lsabe sendet noch der Mensch zurück — greift fröhlich dann zum Wanderstabe, was Feuers Wut ihm auch geraubt, ein süßer Trost ist ihm geblieben: Lr zählt die Lsäupter seiner Lieben, und sieh! ihm fehlt kein teures kjaupt. Schiller. 104. Toll in seiner Familie. Hof vor Tells Hause. Teil ist mit der Zimmeraxt, Hedwig mit einer häuslichen Arbeit beschäftigt. Walther und Wilhelm spielen mit einer kleinen Armbrust. Walther: Der Strang ist mir entzwei. Mach mir ihn, Vater! Teil: Ich nicht. Lin rechter Schütze hilft sich selbst. !) e d w i g: Die Knaben sangen zeitig an zu schießen. Teil: Früh übt sich, was ein Meister werden will. kj e d w i g: Ach, wollte Gott, sie lernten's nie! Teil: Sie sollen alles lernen, wer durchs Leben sich frisch will schlagen, muß zu Schutz und Trutz gerüstet sein. Ls e d w i g : Ach, es wird keiner seine Ruh zu Lsause finden. Teil: Mutter, ich kann's auch nicht. Zum Lsirten hat Natur mich nicht gebildet; rastlos muß ich ein flüchtig Ziel verfolgen. Dann erst genieß' ich meines Lebens recht, wenn ich mir's jeden Tag aufs neu' erbeute. lh e d w i g : And an die Angst der Hausfrau denkst du nicht, die sich indessen, deiner wartend, härmt. Denn mich erfüllt's mit Grausen, was die Knechts von euren Wagefahrten sich erzählen. Bei jedem Abschied zittert mir das Herz, daß du mir nimmer werdest wiederkehren. Ich sehe dich, im wilden Lisgebirg' verirrt, von einer Klippe zu der andern den Fehlsprung tun, seh', wie die Gemse dich rückspringend mit sich in den Abgrund reißt, wie eine Windlawine dich verschüttet, wie unter dir der trügerische Firn einbricht und du hinabsinkst, ein lebendig Begrabner, in die schauerliche Gruft. — Ach, den verwegnen Alpenjäger hascht der Tod in hundert wechselnden Gestalten! Das ist ein unglückseliges Gewerb', das halsgefährlich führt am Abgrund hin! Teil: wer frisch nmherspäht mit gesunden Sinnen, auf Gott vertraut und die gelenke Kraft, der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Not; den schreckt der Berg nicht, der darauf geboren. (Er hat seine Arbeit vollendet, legt das Gerät hinweg.) Jetzt, mein' ich, hält das Tor auf Jahr und Tag. Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. (Nimmt den Hut.) Hedwig: wo gehst du hin? Teil: Nach Altorf, zu dem Vater. Ls e d w i g : Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir's I

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 245

1913 - Leipzig : Hahn
245 Zwei Arme strecken sich ihm entgegen, und mit einem Freudenruf finkt der Sohn an die Brust der lieben Bkutter. Er legt seine Hände auf das graue Haar der Alten, schaut ihr in die Augen, drückt das teure Haupt wieber an sich und preßt den Bkund auf die Haare, von denen das Tuch herabgefallen ist. Die gute Alte schluchzt, an die Schulter des Sohnes gelehnt, und streicht mit den fänden über seinen Soldatenrock. Die wachthabenden Soldaten bleiben rücksichtsvoll abseits stehen; ich aber stand still an der Tür meines Zimmers und sah schweigend jener heiligen Umarmung zu. „wutter, weine doch nicht so!" sagte jetzt der Sohn zärtlich. Sie schluchzte noch immer sprachlos, bis sie endlich die Augen zu ihm erhob und lächelnd tief atmete, als ob ihr eine (äst vom Kerzen fiele. „Bist du müde?" fragte er besorgt und sah sich nach einem Platze für das große Bündel um, das sie mitgebracht hatte. Ich öffnete die Tür und rief: „Aommt herein!" „(D, der (Offizier!" sagte sie und machte einen Anicks, während der Soldat verlegen dastand. „Aommt nur herein!" wiederholte ich. Sie traten schüchtern ein; die Alte legte ihr Bündel auf den Tisch, und ich zog mich z»rück. „Laß dich einmal ordentlich betrachten, mein Sohn!" sagte sie jetzt. Er wandte sich lächelnd nach allen Seiten; die Bkutter beschaute ihn vom Aopf bis zu den Füßen, und die Hände faltend, rief sie zärtlich aus: „wie schön dir die Uniform steht!" Sie näherte sich, bewunderte jeden Anopf, und als sie bemerkte, daß der Hauch ihres Blundes seine Gürtelschnalle getrübt hatte, rieb sie diese mit dem Schürzenzipfel ab; dann legte sie ihre Arme liebevoll um des Sohnes Hals. plötzlich riß sie sich von ihm los und fragte ängstlich: „Und der Arieg? Sag' mir, mein Sohn, wann werdet ihr denn in den Arieg ziehen?" Er lachte und sagte: „wer hat dir denn etwas vom Arieg gesagt, meine gute Bkutter?" — „Es gibt also keinen?" meinte sie befriedigt. — „Ei, Bkütterchen," sagte er, „das kann ich dir nicht verraten. Was meinst du denn, was wir Soldaten vom Arieg wissen?" — „Aber wenn ihr, die ihr den Arieg macht, nichts davon wißt, wer soll's dann wissen?" Sie erwartete die Antwort mit so verwunderter Neugierde, mit einem so herzlichen Lächeln, daß der Sohn sie herzhaft schüttelte und küßte, wie man es wohl bei herzigen Aindern tut. Zch stand noch immer an der Tür des Nebenzimmers und dachte: „Das ist ein Bkensch, der seine Bkutter auf den fänden trägt; er muß auch ein guter Soldat sein, gehorsam, respektvoll und mutig. Feige Gemüter können so tief nicht empfinden. Er wird auf dem Schlachtfeld furchtlos in den Augelregen eilen und, den Namen seiner Blutter auf den Lippen, sterben. — U)enn wir die ersten Aeime aller sanften Regungen, aller edelmütigen Taten aufdecken könnten, wir würden sie fast immer im Herzen der Bkütter finden, wie manche Auszeichnungen für kriegerische Heldentaten müßten statt auf der

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 311

1913 - Leipzig : Hahn
311 „So zeigt uns den Weg!" sagte der Marschall. „Ihr sollt eine reiche Belohnung dafür haben." Born schwieg eine Weile. Es wogte in seinem Herzen wie ein stürmendes und brausendes Meer. Er konnte, er durfte nicht zum Ver- räter werden. „Wollt ihr uns den Weg zeigen?" fragte der Marschall. „Nein!" antwortete der Schäfer fest und bestimmt. „Ich würde schlecht gegen meine eigenen Landsleute handeln, wenn ich es tun wollte." „Ihr wollt also nicht?" rief der Marschall. „Glaubt ihr, daß wir nicht auch ohne euch den Weg finden werden? Wir dürfen ja nur den Berg nach allen Seiten untersuchen. Aber es liegt mir viel daran, diesen Weg heute und noch in dieser Stunde zu erfahren." „Ich verrate ihn nicht", entgegnete Born mit aller Festigkeit eines deutschen Mannes und eines guten Gewissens. „Ihr wollt nicht?" fuhr der Franzose auf. „Ihr wagt es, mir zu trotzen? Glaubt ihr, daß ich euch dazu nicht zwingen kann, wenn ich will?" „Mich kann niemand dazu zwingen!" erwiderte der brave Hirte. „Nicht? Nun, ich werde es dir zeigen. Der Ausgang einer ganzen Schlacht soll nicht von deinem guten oder bösen Willen abhängen. Du erhältst eine reiche Belohnung, wenn du uns den Weg zeigst. Beharrst du aber auf deiner boshaften Weigerung, so mußt du sterben — hörst du? — sterben; — nun entscheide dich!" Born schwieg. Keine Muskel zuckte oder verzog sich auf seinem wetterharten und ehrlichen Angesichte. „Es ist mein Ernst!" rief der Marschall noch einmal. „Du stirbst, wenn du mir zu trotzen wagst!" Der Schäfer sah und hörte nur zu deutlich, daß die Drohung ernst gemeint war. Er konnte an ihrer Ausführung nicht zweifeln. Sein Gesicht wurde bleich. Er zitterte leise, und einen Augenblick lang drohten seine Knie unter ihm zusammenzubrechen. Er dachte an sein armes Weib und an seine Kinder. Die Versuchung war groß und schwer. Aber er überwand sich und erlangte bald seine frühere Fassung wieder. Dann sprach er fest: „Ich bin kein Verräter und will auch keiner werden!" „Du willst also nicht?" rief der Marschall heftig. „Nein!" antwortete der wackere und heldenmütige Mann. „Führt ihn fort!" befahl der Marschall in heftigem Zorn einem Offizier. „Führt ihn fort! Gebt ihm noch eine halbe Stunde Zeit, sich zu besinnen! Wenn er dann noch ebenso trotzig ist, so laßt ihn ohne weiteres erschießen!" Er wandte sich ab, und Born wurde von den Soldaten fortgeführt. Sielert, dem durch den Tod des Alten ein gehoffter Gewinn entging, trat listig und schmeichelnd an ihn heran. Er stellte ihm vor, was er durch kluges Nachgeben gewinnen und dagegen durch fortgesetzten Trotz verlieren würde. Der Schäfer wandte sich unwillig und verächtlich von dem Verräter hinweg. Auch der französische Offizier redete ihm mü

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 316

1913 - Leipzig : Hahn
316 das taten sie, und Spartas Held und König Leonidas verteidigte den Paß drei Tage lang. Am vierten, als die Perser schon müde wurden, fand sich ein Verräter, dem König Xerxes einen steilen Saumpfad zu zeigen über des Gebirges Grat. Den gingen nachts die versuchen Bogenschützen und fielen so die Schar im Rücken an. Die aber, die spartan'schen Heldenseelen, dreihundert kaum, anstatt hinwegzufliehn, sie flochten wie zum Fest ihr langes Haar und fielen, ihre heim'schen Götter preisend, ein lorbeerwertes Opfer, Mann für Mann. Als Terxes das vernahm, erschrak sein Herz und ahnt' ihm Böses. Als durch Griechenland die Kunde flog, da in der höchsten Not erjauchzten alle, und der Mut, der schon zu sinken drohte, mächtig flammt' er auf, und Sieg auf Sieg entsproß aus diesem Opfer, bis Persiens Übermacht zu Boden lag. (Pause.) Schröder. Was soll das hier! Wenn Ihr nur sagen wollt, daß unser Kommandant und seine Truppen — Zipfel (ihn groß ansehend). Nicht doch, Herr Nachbar! Ihr versteht mich falsch. Auf etwas andres hab' ich hingezielt. Nämlich, im alten Griechenland, da gab's bekanntlich weder Bürger, noch Soldaten, da gab es nur ein Volk, das hatte nicht zweierlei Tuch und zweierlei Gesinnung. Das wußte, wenn das Vaterland bedroht ist, hat jedermann sein Letztes einzusetzen. Da war kein einz'lner, auserwählter Stand, der sich allein die Ehr' anmaßen durfte, fürs Vaterland zu sterben. Die Spartaner, die ruhmvoll bei Thermopylä gefallen, die waren gute Bürger so wie wir, die hatten Weib und Kind und Haus und Gut und auch genug der Schiffe, sich zu retten. Sie aber blieben. Denn dem Femd gegenüber war jedermann Soldat und hielt sein Blut zu kostbar nicht, die Freiheit zu erkaufen. Nun, meine Freund' und Nachbarn, die Moral ist klar genug. Ich denk', der Herr Major versteht mich auch. Nettelbeck (ausbrechend). Das war wie ein Mann gesprochen das soll Euch unvergessen sein!

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 318

1913 - Leipzig : Hahn
318 Wir schwören, daß kein Vater nach dem Sohne s«ll fragen und nach seinem Weib kein Gatte, kein Krieger fragen soll nach seinem Lohne, Noch heimgchn, eh' der Krieg, der Nimmersatte, ihn selbst entläßt mit einer blut'gen Krone, daß man ihn heile oder ihn bestatte. 137. Andreas Hofer. Zu Mantua in Banden der treue Hofer war; in Mantua zum Tode führt ihn der Feinde Schar. Es blutete der Brüder Herz; ganz Deutschland, ach! in Schmach und Schmerz, mit ihm das Land Tirol. Die Hände auf dem Rücken Andreas Hofer ging mit ruhig festen Schritten; ihm schien der Tod gering, der Tod, den er so manches Mal vom Jselberg geschickt ins Tal im heil'gen Land Tirol. Doch als aus Kerkergittern im festen Mantua die treuen Waffenbrüder die Händ' er strecken sah, da rief er laut: „Gott sei mit euch, mit dem verratenen deutschen Reich und mit dem Land Tirol!" Dem Tambour will der Wirbel nicht unterm Schlegel vor, als nun Andreas Hofer schritt durch das finstre Tor; — Andreas, noch in Banden frei, dort stand er fest auf der Bastei, der Mann vom Land Tirol. Dort sollt' er niederknieen; er sprach: „Das tu' ich nit; will sterben, wie ich stehe, will sterben, wie ich stritt, so wie ich steh' auf dieser Schanz' I Es leb' mein guter Kaiser Franz, mit ihm das Land Tirol!" Und von der Hand die Binde nimmt ihm der Korporal; Andreas Hofer betet allhier zum letztenmal; dann ruft er: „Nun, so trefft mich recht; gebt Feuer! — Ach, wie schießt ihr schlecht! Ade, mein Land Tirol I" I. Mosen. 138. Zwei Briefe Theodor Körners aus dem Jahre 1813. 1. An feine» Water. Wien, am 10. März 1813. Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegenheit, die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich weder befremden noch erschrecken wird. Neulich schon gab ich Dir einen Wink über mein Vor- haben, das jetzt zur Reife gediehen ist. Deutschland steht auf; der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügel- schläge die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Frei- heit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande — laß mich ihr würdiger Jünger sein! Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. — Nenn's nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei Jahren hätte ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche Seligkeit in diesem Leben

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 319

1913 - Leipzig : Hahn
319 reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks in schöner Milde auf mich nicderleuchten, jetzt ist es bei Gott ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung, daß kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein bestochenes väterliches Herz: „Theodor ist zu größeren Zwecken da; er hätte auf einem anderen Felde Wichtigeres und Bedeutenderes leisten können; er ist der Menschheit noch ein großes Pfund zu berechnen schuldig." Aber, Vater, meine Meinung ist die: zum Opsertode für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist keiner zu gut, aber wohl sind viele zu schlecht dazu! Eine große Zeit will große Herzen, und ich fühl' die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser Völkerbrandung, ich muß hinaus und dem Wogensturme die mutige Brust entgegendrücken. Soll ich in feiger Be- geisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel nachleiern? Ich weiß, Du wirst manchmal Unruhe erleiden müssen; die Mutter wird weinen, Gott tröste sie! Ich kann's Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind rühmt' ich mich bis jetzt, es wird mich nicht verlassen. Daß ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen Blüten- kränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und daß ich es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der Überzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf. Sonnabends oder Montags reise ich von hier ab, wahrscheinlich in freundlicher Gesellschaft; vielleicht schickt mich auch Humboldt*) als Kurier. In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe ich zu den freien Söhnen Preußens, die in schöner Begeisterung sich zu den Fahnen des Königs gesammelt haben. Ob zu Fuß oder zu Pferd, darüber bin ich noch nicht entschieden, und es kommt einzig auf die Summe Geldes an, die ich zusammenbringe . . . Toni**) hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre edle, große Seele bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen schon trocknen. Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll mich nicht verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden. Dein Theodor. 2. An Ararr von Aereira in Wien. Jauer, den 30. März 1813. Eben erhalten wir die Nachricht, daß wir binnen acht Tagen vor dem Feinde stehen. Die Franzosen haben Dresden stark besetzt, machen Miene, es zu halten, und sollen ihre Vorposten bis Bautzen vorgerückt haben. Wir werden mit aller Eile vorgeworfen, und ich halte es für keine kleine Gunst des Schicksals, daß ich entweder die heilige Erde meiner *) Wilhelm v. Humboldt, ein hervorragender Gelehrter, der Freund von Schiller und von Körners Vater; er war damals preußischer Minister und hatte an Preußens Wiedergeburt einen wesentlichen Anteil. **) Antonie Adamberger, Körners Braut.
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